Schweizer Parteien und Verbände setzen im Abstimmungskampf gerne auf Altbewährtes – auf Symbole, die die Stimmbürger bereits kennen.
Bekanntes Beispiel – die Apfelbäume der Economiesuisse. Wann immer es an einer Abstimmung, um die Bilaterale mit der EU ging, öffnete der Verband seine Schublade und nahm das Bild des Apfelbaums hervor, der für die blühende Schweizer Wirtschaft steht.
Die Apfelbaum-Kampagne artete 2014 im Vorfeld der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative endgültig aus, so immens, dass der Tages-Anzeiger überspitzt von einem «Apfelkrieg» sprach und selbst deutsche Medien die Kampagnen aufnahmen. «Gefahr für den Apfelbaum», titelte beispielsweise die Berliner Zeitung.
Denn nicht mehr nur die Economiesuisse warf damals mit Apfelbaum-Plakaten und -Inseraten nur so um sich, sondern auch die politischen Gegner nahmen das Symbol des Apfelbaums auf, münzten es einfach auf ihre Interessen um. Das Wirrwarr war perfekt.
Seither war es ruhig um den Apfelbaum – bis jetzt. Denn nun kehrt das Symbol zurück. Im Kampf gegen die «No Billag»-Initiative setzen die Grünen für ihre Flyer auf einen Baum, der von einem Holzfäller gefällt wird.
Von einem Plagiat will Regula Rytz nichts wissen: «Es geht um die Kernbotschaft », betont die Präsidentin der Grünen. «Der Baum symbolisiert die kulturelle und mediale Vielfalt in unserer vielsprachigen Schweiz», die verloren ginge, wenn die Initiative angenommen würde.
Dennoch: Die Ähnlichkeit ist frappant. Vor allem zu einem Plakat, wie der folgende Vergleich zeigt.
Auf beiden Sujet wird ein Baum gefällt, auf beiden ist es der gleiche Holzfäller, der das Beil schwingt. Jener, den der Schweizer Maler Ferdinand Hodler auf einem Gemälde verewigt hat.
Die Präsidentin der Grünen glaubt nicht, dass der Flyer die Stimmbürger an die Masseneinwanderungsinitiative erinnern wird. Diese Kampagne sei längst vergessen. Nicht aber Ferdinand Hodler. «Er hat ikonische Bilder geschaffen. Sein Gemälde des Holzfällers kennt man, es weckt Emotionen.»
Weil einst Bundesrat Christoph Blocher das Bild in seinem Büro im Bundeshaus aufhängte, wurde «Der Holzfäller» für viele zum Symbol des rechten Flügels in der Schweizer Politik.
Auch die Grünen wollen in ihrer aktuellen Kampagne mit dieser rechtskonservativen Symbolik spielen, wie Rytz sagt. «Unser Sujet hat eine einfache und klare Bildsprache. Die Annahme der ‹No Billag›-Initiative würde zu einer Abholzung der Schweizer Medienvielfalt führen. Statt Vielfalt gäbe es ideologischen Einheitsbrei.» Die ersten Reaktionen hätten gezeigt, dass die Botschaft ankomme.
Viele Gegner der Volksinitiative befürchten, dass Christoph Blocher mit seinen Medien bei einem Wegfall der SRG in die Bresche springen könnte. Dies wies das Pro-Lager stets als unrealistisch zurück. Auch von einer Abholzung der Medienlandschaft wollen sie nichts wissen. Sie versprechen im Gegenteil eine grössere Medienvielfalt.
Politologe Laurent Bernhard von Universität Lausanne hat sich den Flyer der Grünen angeschaut. Ihn erstaunt, dass die Grünen auf eine solch destruktive Botschaft in ihrer Kampagne setzen. Das sei sonst meist nicht ihre Art, könne aber in diesem Fall funktionieren. «Ihre ökologische Wählerschaft will als letztes einen kaputten Baum.»
Bei ihm hat der Flyer eine andere Assoziation geweckt. Er fühlte sich erinnert an die Kampagne der Verbandsbeschwerde-Initiative von 2008. Auch damals sei von einem Kahlschlag die Rede gewesen. Auch damals wurde ein abgeholzener Baum als Sujet verwendet.