Das Telefon klingelt pausenlos. Die Mitarbeiter des Einwohneramts des Kantons Basel-Stadt haben alle Hände voll zu tun. Der Grund sind die Rechnungen für die Radio- und Fernsehabgaben. Bis Ende letzten Jahres wurden diese von der Billag erhoben, einer Tochterfirma der Swisscom.
Nun hat diese Aufgabe die Firma Serafe übernommen. Sie stützt sich dabei neu auf die Daten der Einwohnerbehörden aller Kantone und Gemeinden. Wie sich nun herausstellt, sind diese längst nicht überall korrekt. Dies führt zu einem Ansturm auf zahlreiche Einwohnerämter – und auch auf die Serafe.
Das Problem: Die Abgaben sind pro Haushalt geschuldet. Nun hat die Serafe zahlreiche Rechnungen verschickt, bei denen Personen zwar im gleichen Gebäude leben, aber nicht im gleichen Haushalt. So kann es vorkommen, dass die Familie Müller eine Rechnung erhält, auf der auch eine andere Person aufgeführt ist, die nicht zur Familie Müller gehört, aber die im gleichen Haus wohnt. Die Serafe schreibt auf der Rechnung, dass sich die Betroffenen bei diesem Problem direkt an das Einwohneramt ihres Kantons oder ihrer Gemeinde wenden sollen
Deshalb werden derzeit verschiedene Amtsstellen wie etwa jene des Kantons Basel-Stadt bestürmt. Um den telefonischen Ansturm bewältigen zu können, hat das Einwohneramt nun reagiert. Im Callcenter seien zusätzliche Mitarbeitende aus anderen Bereichen des Einwohneramts eingesetzt worden, sagt ein Sprecher. Die schriftlich eingehenden Anfragen würden ebenfalls von einem Spezialteam bearbeitet. Das Einwohneramt kläre jeden einzelnen Fall ab. Wo immer möglich, werde unverzüglich eine Datenkorrektur vorgenommen.
Wie eine Umfrage zeigt, betrifft das Datenchaos neben Basel-Stadt derzeit vor allem die Kantone Baselland und Solothurn. In der Stadt Zürich kommt es ebenfalls zu Anfragen bezüglich der Serafe-Rechnungen, das Ausmass halte sich derzeit aber in Grenzen, sagt ein Sprecher des Präsidialdepartements. Das zuständige Personenmeldeamt beobachte die Situation. In den Städten Aarau, Luzern und St. Gallen hat man bisher noch keine Anfragen aus der Bevölkerung festgestellt.
Doch nicht nur die exakte Abgrenzung der einzelnen Haushalte macht Probleme. So gibt es auch Fälle, bei denen Betroffene ihre neue Wohnsituation korrekt den Einwohnerbehörden gemeldet haben. Dennoch verschickt Serafe Rechnungen, die auf veralteten Daten beruhen, wie Fälle aus Solothurn zeigen. So kann es sein, dass jemand aus einer gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, auf der Rechnung aber immer noch alle früher dort Wohnhaften aufgeführt sind. Die Betroffenen werden dann vom Einwohneramt an Serafe verwiesen. Das Unternehmen wiederum sagt, man solle sich bei den Behörden melden.
Im Gegensatz zur korrekten Abgrenzung der Haushalte sei dies ein kleineres Problem, sagt Serafe-Sprecher Erich Heynen. Er spricht von einer Unschärfe. Der Grund: Die Daten, welche die Serafe für den ersten Rechnungsversand im Januar verwendete, stammen von Ende November. Man habe sich nach Absprache mit dem Bundesamt für Kommunikation (Bakom) dagegen entschieden, die Daten von Ende Dezember heranzuziehen. «Wir haben aufgrund der Festtage befürchtet, dass die Daten nicht rechtzeitig bei uns eintreffen», sagt Heynen.
Das nun entstandene Chaos sei für sie keine Überraschung, sagt Ines Brunner, Leiterin der Fachstelle Kantonales Personenregister Baselland. Sie koordiniert im Kanton die Datenlieferung an die Serafe. Die Angaben aus den Einwohnerregistern seien nur bedingt für die Rechnungsstellung für die einzelnen Haushalte einsetzbar. Denn die Daten seien bisher noch nie so zusammengefasst worden, um einzelne Haushalte zu bilden. Die Kantone hatten darum im Rahmen der Radio- und Fernsehverordnung einen anderen Vorschlag gemacht. «Wir hätten uns die Finanzierung über die bestehenden Steuern gewünscht», sagt Brunner. Doch der Bund hatte dafür kein Gehör.
Die Leiterin der Fachstelle Kantonales Personenregister Baselland kritisiert zudem die Kommunikation der Serafe und des Bakom. «Wir wurden nicht darüber informiert, wann genau die Rechnungen für die Einwohner unseres Kantons verschickt werden.» In den vergangenen Tagen sei sie nun pausenlos von den einzelnen Gemeinden kontaktiert worden, wie vorzugehen sei. Inzwischen hat Ines Brunner die Gemeinden diesbezüglich informiert. Zudem sehen sich die Einwohnerämter plötzlich mit Sachfragen zur neuen Jahresgebühr konfrontiert, die sie gar nicht beantworten können.
Die Serafe gesteht Probleme ein und wirbt gleichzeitig für Verständnis. Parallel gingen beim Unternehmen derzeit bis zu 300 Anrufe ein, sagt Sprecher Erich Heynen. So verzeichne Serafe täglich gegen zehntausend Telefonate. Konkrete Zahlen will das Unternehmen später nennen, auch punkto Fehlerquote bei der Verrechnung.
Zur Kritik der Einwohnerämter sagt Sprecher Heynen: «Wir hätten einige Details sicher besser kommunizieren können.» Einige Einwohnerkontrollen hätten sich überrumpelt gefühlt, weil sie den Eindruck hatten, nicht genügend darüber informiert gewesen zu sein, was genau ablaufe. Serafe habe nun auch eine Hotline für Einwohnerämter eingerichtet. Letztlich handle es sich bei der Umstellung von Billag zu Serafe ja um einen Systemwechsel mit sehr komplexen Prozessen, der verschiedene Stellen tangiere. Dass es bei 3,6 Millionen Rechnungen, die im Januar 2019 verschickt werden, auch Fehler gebe, sei zu erwarten gewesen.
Was die Abgrenzung der Haushalte anbelangt, so verweist Serafe auf die Einwohnerregister. Um einen Haushalt eindeutig abbilden zu können und eine korrekte Rechnung zu generieren, bedient sich die Erhebungsstelle verschiedener Datenmerkmale. Unter anderen sind es der Eidgenössische Gebäudeidentifikator sowie der Eidgenössische Wohnungsidentifikator. Wenn eine Einwohnergemeinde diese Register nicht sauber führe, könne es zu Ungenauigkeiten kommen. Darauf habe Serafe keinen Einfluss, sagt Sprecher Erich Heynen. (aargauerzeitung.ch)