Die Ausgangslage ist nach dem 1:1 vor sechs Tagen knifflig, die Mannschaft aber zuversichtlich.
Ein Schritt fehlt den Young Boys noch zum grossen Champions-League-Wurf, dem erstmaligen Vorstoss in die Gruppenphase – ein letzter Schritt, den sich die Young Boys eigentlich kleiner gewünscht haben, der aber nicht zu gross erscheint, um sie ins Zweifeln zu bringen.
So wirkte das jedenfalls in den Tagen zwischen den beiden Duellen mit Kroatiens Rekordmeister. «Es wird eng, aber wir sind überzeugt, dass wir das schaffen», sagte Trainer Gerardo Seoane am Tag vor dem Rückspiel in Zagreb. Guillaume Hoarau, der 34-jährige Torgarant im YB-Sturm, sprach von seinem «grössten Spiel» und meinte: «Wir wissen, wo wir hinwollen und wie wir da hinwollen.»
Das Hinspiel, diese zweigeteilten 90 Minuten liessen die Zuschauer am letzten Mittwoch etwas fragend zurück. YB begann furios, dominierte und traf früh. Doch dann entglitt den Bernern das Spiel. David von Ballmoos und dem Pfosten hatten sie zu verdanken, dass sie nicht mit einem Rückstand nach Zagreb reisen mussten. Nun darf YB in Zagrebs Maksimir-Stadion zwar nicht verlieren, kann den Millionen-Jackpot aber schon mit einem Unentschieden knacken, sofern ein Tor gelingt.
Es wäre der Lohn für die traumhafte letzte Saison, die auch dank Christoph Spychers Geschick als Sportchef noch nicht im grossen Umbruch gipfelte. Doch auch Seoane weiss: «30 gute Minuten reichen nicht. Und wichtig ist, dass wir kein Gegentor erhalten.»
Geht es nach den Wettquoten, hat sich die Favoritenlage durch das Remis und Dinamos Auswärtstreffer leicht Richtung Zagreb verschoben. Während der im Europacup zuhause seit neun Heimspielen ungeschlagene Serienmeister wohl mit der gleichen Formation wie vor einer Woche antreten wird (sofern der angeschlagene Captain Arijan Ademi fit wird), sollen auf der Gegenseite wiederum allesamt Spieler aus der YB-Meistermannschaft verhindern, dass die Buchmacher Recht bekommen.
Zur Stammelf wird gemäss Seoane auch der am Wochenende noch angeschlagene Captain Steve von Bergen gehören, der am Dienstag wieder mit dem Team trainieren konnte. Roger Assalé, der sich am Wochenende nach mehrwöchiger Verletzungspause stark zurückmeldete, dürfte in Zagreb als Joker kommen. Nicolas Moumi Ngamaleu vertrat den wuseligen Publikumsliebling ohne Qualitätseinbusse.
Zupass kommt den Young Boys, dass Dinamo Zagreb von seiner Philosophie als Ausbildungsklub in diesem Sommer nicht abwich. Mehr als 35 Millionen Franken nahm der einstige Klub von Grössen wie Luka Modric oder Mario Mandzukic in diesem Sommer durch Spielerverkäufe ein. Kommt hinzu, dass der Klub seit einiger Zeit in einer Identitätskrise steckt, die ihn um den uneingeschränkten Support in der Stadt bringt.
Wegen der dubiosen Machenschaften des langjährigen Präsidenten Zdravko Mamic hat sich in den letzten Jahren ein beträchtlicher Teil der Anhängerschaft vom Klub abgewendet. Anstatt vor fast 35'000 Zuschauern spielt Dinamo zuhause in der Regel nurmehr vor einigen tausend. Zu den beiden bisherigen Champions-League-Qualifikationsspielen kamen nicht mehr als 12'000.
Mamic, der unter anderem beträchtliche Transfererlöse in die eigene Tasche abgezweigt haben soll, entfloh dem Zorn der Fans und der vor wenigen Monaten ausgesprochenen sechseinhalbjährigen Gefängnisstrafe, indem er sich nach Bosnien absetzte.
Der Klub ringt derweil um die Gunst der verlorenen Fans und hofft nicht zu Unrecht darauf, dass Kroatiens WM-Höhenflug auch ihm einen Schub verleiht. Die Planungen für ein neues Stadion anstelle des 1912 erbauten und trotz einiger kosmetischer Eingriffe zusehends baufälligen Maksimir-Komplexes jedenfalls, so erzählen es die hiesigen Journalisten, schreiten seit Kroatiens Finaleinzug zügiger voran. Der erneute Vorstoss in die Gruppenphase käme da ebenfalls gelegen. (abu/sda)