«Any Given Sunday», also jeden verdammten Sonntag, schauen die Amerikaner Football. 14 der 16 Duelle eines regulären Spieltags finden am letzten Wochentag statt, meist geht es schon am Mittag los. Das ist auch für Europäer ideal. Die ersten Spiele fallen so nämlich auf die Prime Time am Sonntagabend. Und weil die NFL via ProSieben Maxx und ProSieben im Gegensatz zu Fussball-Spielen am Sonntagabend (Serie A, Primera Division, Ligue 1) im Free TV läuft, müssen sportbegeisterte Zuschauer nicht extra dafür bezahlen.
Der Sonntag ist ausserdem der Abend, an dem das 18- bis 25-jährige Zielpublikum gerne zuhause bleibt und sich von den rauschenden Nächten des Wochenendes erholt. Die Blockbuster-Premiere oder der Tatort können längst zeitversetzt geschaut werden, deshalb läuft mittlerweile in vielen Schweizer (WG-)Stuben am Sonntagabend Football.
Viel zum Boom trägt auch die Art der TV-Übertragung bei. Ganz nach amerikanischem Vorbild sitzen im Studio mit Roman Motzkus, Jan Stecker, Patrick «Coach» Esume oder Björn Werner ausgewiesene Fachmänner, die das Spielgeschehen kompetent kommentieren und während der teils langen Werbepausen auch gleich analysieren. So kommen nicht nur Nerds, sondern auch Football-Newbies auf ihre Kosten.
Der Sender versucht während der Übertragungen ausserdem aktiv, die Fans einzubinden. Netman «Icke» Dommisch zeigt zugesandte Fan-Bilder oder versorgt die meist jungen Zuschauer mit den aktuellsten News und Diskussionen auf Twitter, Facebook oder Instagram. Längst ist der langhaarige Football-Freak wegen seiner Authentizität zum heimlichen Star der Sendung geworden.
Trotz der vielen Pausen läuft im Football immer etwas und sieht das Resultat auch noch so klar aus, man weiss nie, wer am Ende gewinnt. Oft gibt es spektakuläre Wenden oder unfassbare Dramen in den Schlussminuten. Hinzu kommen die zahlreichen Statistiken, dank welchen fast an jedem Wochenende irgendein neuer Rekord aufgestellt wird. Ein ereignisloses 0:0? Gibt es eigentlich nie.
Zugegeben, das Regelwerk ist zu Beginn nur schwer verständlich. Doch die Grundsätze sind simpel: In vier Versuchen muss mit dem Ball ein Raumgwinn von 10 Yards erreicht und am Ende der Ball hinter der Goalline abgelegt oder zwischen die Pfosten gekickt werden. Wer sich ein bisschen ausführlicher mit der Materie beschäftigt, ist schnell begeistert von der Vielfalt an Spielzügen und Taktiken, die am Ende doch wieder über den Haufen geworfen werden müssen.
Der Fussball-Meister in der Schweiz? Steht längst fest. Nachdem der FC Basel von 2010 bis 2017 stets den Pott geholt hat, dominiert nun YB die Super League nach Strich und Faden. Auch in den fünf europäischen Topligen teilen sich immer die gleichen paar Klubs die Titel unter sich auf.
Auch wenn rund um die New England Patriots stets von einer Dynastie gesprochen wird, gibt es in der NFL keine ähnliche Dominanz. In den letzten zehn Jahren gewannen neun verschiedene Teams den Super Bowl. Das Draft-System sorgt für Abwechslung und das Playoff-System für einen spektakulären Ausgang der Saison. Am Ende entscheidet ein Spiel über alles oder nichts.
Wie im Tennis (Federer/Nadal/Djokovic) und im Fussball (Messi/Ronaldo) fasziniert auch beim American Football die Variation von auffälligen Charakterköpfen und unterschiedlichen Spielertypen. Wenn routinierte Quarterback-Legenden wie Tom Brady, Aaron Rodgers oder Drew Brees auf die neue Garde um Patrick Mahomes, Jared Goff oder Cam Newton trifft, wartet jeder auf die Wachablösung.
Fesselnd sind auch die Spielzüge rund um die wieselflinken Wide Receiver oder die muskelbepackten Runningbacks, welche die Lücken zwischen den Kolossen in der gegnerischen Verteidigung suchen müssen. Die Diversität unter den Spielern ist gigantisch und sorgt dafür, dass es nie langweilig wird.