Es begab sich am 31. Oktober des Jahres 1589 die wohl schaurigste Hinrichtung, die das deutsche Städtchen Bedburg in der Nähe von Köln je gesehen hatte. Vielleicht war es sogar die schaurigste im ganzen Lande. Sicher aber war es die aussergewöhnlichste.
Denn der Mann, der an jenem Tage durch die Hand des Henkers sterben musste, war kein Mensch. Er war ein Ungeheuer, eine Bestie – so wird es jedenfalls berichtet.
Seine Seele, noch im Knabenkörper steckend, hatte sich bereits dem Bösen zugewandt. Er zauberte zum Schaden seiner Mitmenschen, er beschwor die Toten und rief böse Geister und Dämonen. Peter Stump war ein Hexer.
Ein von Geburt an Verdammter, den ein unstillbarer Blutdurst bald dazu trieb, mit dem Teufel zu paktieren. Denn dieser, stets nach Gesellen suchend, die für ihn das von Gott Erschaffene zerstören, fand in Stump ein williges Instrument. Dessen Herz war von solch einer Böswilligkeit zersetzt, seine Adern mit reinstem Gift verseucht, sodass der Widersacher des Herrn ihn nicht einmal zu verführen brauchte. Vernichtung von Leben war ohnehin alles, nach dem es Stump verlangte, da war nichts weiter. Kein Wunsch nach Reichtum oder gesellschaftlichem Aufstieg. Keinerlei Drang nach den gewöhnlichen Versündigungen des Fleisches.
Und so schenkte der Teufel seinem neuen Vasallen einen Zaubergurt, auf dass dieser daraus seine blutige Vergnügung zöge.
Und tatsächlich, sobald Stump ihn sich umgebunden hatte, wandelte sich seine Gestalt: Unter grässlichem Gestöhn fiel er auf seine Hände, die plötzlich von Haaren überwuchert waren. Aus den Fingern sprangen spitze Krallen, die sich sogleich in den Boden bohrten, während sein dünner Körper immer mehr anschwoll, sich aufwölbte wie ein einziger riesenhaft wachsender Muskel. Sein Hemd zerbarst unter dem Druck dieser neuen, bestialischen Kraft, er spürte, wie sein Schädel sich schmerzlich verformte, wie seine Nase sich nach vorne verzog und sein Mund darunter bald zu einem weiten Maul geworden war. Darin stiessen nun in den Ecken Fangzähne durch sein Fleisch wie scharfe weisse Dolche. Und als er diese mit seiner Pfote ertastete, verzog sich seine Schnauze zu einem Grinsen.
Stump war zum Wolf geworden, doch behielt er seine menschliche Niedertracht bei. Und wer von nun an seine zu Schlitzen verfinsterten Augen zwischen den Bäumen rot aufblitzen sah, war verloren.
Erst holte er sich Lämmer, Zicklein und anderes Vieh. Verbiss sich in ihrem Hals, riss ihnen die Kehle auf und zerfetzte sie schliesslich derart, dass der blutige Fleischberg, den er liegen liess, niemandem mehr verraten konnte, was er einmal gewesen war.
Dann legte er seinen Zaubergurt ab und sogleich verschwanden Muskeln, Haare und Schnauze und Peter Stump stand wieder da, in der dürren Bauerngestalt, die man auf der Strasse zu grüssen pflegte. Selbst jene, dessen Freunde und Kinder er sich geholt hatte. Denn wie konnten sie auch ahnen, dass er das Untier war, das die Bewohner von Köln, Bedburg und Epprath in Angst und Schrecken versetzte. Dass er seine Seele dem Teufel verkauft hatte, um in Gestalt eines Werwolfs seine grausamen Triebe befriedigen zu können.
Immer, wenn er einem Mädchen begegnete, das ihm gefiel, wartete er, bis es aus der Stadt kam. Manchmal hatte er das Glück, dass es sich alleine auf den Weg in die Felder machte, wo er erst seine ekelhafte sinnliche Begierde an ihm stillte, bevor er es gänzlich zerfleischte. Doch er griff auch ganze Gruppen an. Stürzte in eine Schar Mädchen, die gerade dabei waren, Kühe zu melken. Entsetzt sprangen die Kinder davon, während Stump mit seinen geschwinden Wolfsläufen hinterherjagte und bald darauf das schwächste Glied von den übrigen trennte.
Einer Frau, zwei Männern und 13 Kindern brachte Stump auf diese Weise den Tod.
25 Jahre lang wütete er in besagter Gegend. 25 Jahre lang fanden die Bewohner über die Felder verstreute Gebeine. Und in jener langen Zeit war Stump die wölfische Natur so sehr in den eigenen Körper übergegangen, dass er sich für manch ein Verbrechen nicht einmal mehr zu verwandeln brauchte.
Er machte sich seine Gevatterin Katherine Trumpin zur Beischläferin, und weil dies den Unersättlichen nicht zu befriedigen schien, verging er sich gar an seiner eigenen Tochter Beell. An dieser armen jungen Frau vollzog er die gemeinste Blutschande und hörte auch nicht damit auf, als ihm der Teufel als weitere Gespielin eine Dämonin schickte: Ein im Leibe eines so reizvollen Weibes steckender Geist, dass kein sterbliches Geschöpf sie in ihrer Schönheit zu übertreffen wusste.
Die abscheulichste Tat aber, die Krönung seiner Bestialität beging er eines schönen Tages im nahe gelegenen Wald, wohin er sich gemeinsam mit seinem Sohn aufmachte.
Falls irgendwo in der hintersten Ecke noch ein Fünklein Väterlichkeit in ihm wohnte, erlosch es in jenem Moment. Jämmerlich erstickt von so viel Infamie. Es begab sich nämlich so, dass Stump sich nun kurz entschuldigte – eines natürlichen Bedürfnisses wegen, und zwischen den Bäumen verschwand. Und das, was an seiner Stelle wieder zum Vorschein kam, riss nun den Sohn zu Boden, knackte ihm den Schädel auf und frass ihm das Gehirn heraus, als wäre es eine besonders schmackhafte Köstlichkeit.
Und fast als wüsste man, dass die Entsetzlichkeit dieser Geschichte nun nicht mehr zu steigern sei, begegnete bald darauf ein Bauer dem bösen Wolf bei seinem frühmorgendlichen Jagdausflug. Es gelang ihm gar, dem gefürchteten Tier mit seinem Schwert die linke Pfote abzuhauen, bevor dieses jaulend floh und vom Dunkel des Waldes verschluckt wurde.
Er packte das abgeschlagene Beweisstück ein, doch als er es später aus der Tasche zog, war da keine Wolfstatze mehr, sondern bloss eine blutige Menschenhand. Verdutzt und reichlich angeekelt liess er sie zu Boden fallen.
Noch am selben Tage sollte sich das Mysterium um die verwandelte Pfote lüften. Denn besagter Bauer war, so wie es Gottes Wille bestimmt hatte, der Nachbar von Stump. Er hatte gehört, dass jener krank darniederlag. Und so entschied er sich, ihn zu besuchen und sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
Doch noch bevor der Bauer an dessen Bette stand, bevor er überhaupt die Schwelle des Schlafzimmers übertreten hatte, sah er es. Sah das Blut auf dem Laken. Den eingebundenen Stumpf von Stump. Sah, dass diesem die linke Hand fehlte.
Er musste nichts sagen, der Verbrecher fing von alleine an zu reden. Er gestand dem Bauern seine dämonische Wolfsverwandlung – vielleicht in der Hoffnung, seine Seele doch noch vor der ewigen Höllenqual zu retten, vielleicht aber auch nur, um sich selbst endlich als den Schrecken zu erkennen zu geben, der die Gegend 25 Jahre lang heimgesucht hatte. Denn am Ende ist ein Christenmensch geneigt, gute Werke zu tun, während das Kind des Teufels sich seiner bösen rühmt.
Es dauerte nicht lange, bis man Stump, noch immer verletzt in seiner Bettstatt liegend, mitnahm, um ihn in die Folterkammer der Stadt Bedburg zu bringen.
Dort nun kamen während der peinlichen Befragung all seine schrecklichen Untaten ans Tageslicht. Selbst von seinem Zaubergürtel berichtete Stump, und dass er ihn auf der Flucht auf einem Hohlweg weggeworfen habe. Dort allerdings fand man ihn nicht und erklärte sein Fehlen schliesslich damit, dass der Teufel selbst ihn wieder an sich genommen haben musste.
Stump gab im Verlaufe des Verhörs auch zwei weitere Personen preis, die ihm beim Morden zur Hand gegangen seien: seine Tochter Beell Stump und seine Gevatterin Katharina Trumpin.
Das Urteil wurde am 28. Oktober 1589 verkündet und drei Tage später vollzogen:
Stump wurde zunächst auf ein Rad gefesselt, wo man ihm mit rot glühenden Kneifzangen an zehn verschiedenen Stellen des Körpers das Fleisch bis auf die Knochen herausriss. Danach brach man seine Arme und Beine mit einer Axt und schlug ihm mit dem Schwert den Kopf vom Rumpf.
Seine Leiche verbrannte man schliesslich auf dem Scheiterhaufen, zusammen mit seinen Komplizinnen – seiner Tochter und Gevatterin.
Als Mahnmal diente fortan sein Kopf, der an der Spitze eines langen Pfahls aufgespiesst wurde. Darunter ein hölzerner Wolf, der auf dem Rad stand, auf dem Peter Stump, Zauberer, Mörder und Werwolf, zu Tode kam. An den Speichen des Rades hingen 16 Holzlatten symbolisch für die 16 Menschen, denen er in seinem beispiellosen Blutrausch das Leben geraubt hatte.
Bey bedbur in dem selben land;
hab ich mich jn ein Wolff verwandt
mein leben ein Weil hingebracht
mit Zauberey Gott hab veracht
Dem bösen Ich mich Vbergeben
Vnd Vil genomen hab dats leben
Dan Ich dreyzehin Kinder klein
als Wolff zerrissen hab allein
Zwo farwen vnd ein man dartzue
damit ich aber Kein Rhue
Dan Ich mein tochter auch beschlieff
Vnd sunst mit frawen hat geriff
Biß Ich den maister hanß zutheil
der mich mit Zangen schwert vnd beihl
also du siehst tractiert hat
Vnd mich gesetzt auf ein Rath
Text der Kölner Flugschrift, 1589.