Früh am Morgen telegraphiert Franz Ferdinand seiner Tochter von Sarajevo nach Wien:
An diesem 28. Juni 1914 strahlt die Sonne auf die vielen Menschen der bosnischen Hauptstadt nieder, die entlang des Roten Flusses die Gehwege säumen. Sie wissen genau, wo sie sich hinstellen müssen, die Route des österreichisch-ungarischen Thronfolgers und seiner Frau Sophie wurde Wochen im Voraus in den Zeitungen angekündigt. Im Schritttempo fahren die sechs Fahrzeuge an den Schaulustigen vorbei in Richtung Rathaus, die Verdecke sind offen.
Nur etwa 40 Polizisten sorgen für die Sicherheit des hohen Besuchs, das Militär ist nicht in Sarajevo stationiert. Beunruhigen tut das Franz Ferdinand wenig. Bereits die eher vagen Warnungen vor einer Gefahr, von der er im Vorfeld unterrichtet wurde, haben ihn nicht von seinem Besuch abhalten können.
Gott ist an diesem Tag nicht da. Dafür sechs Attentäter, die sich unter die Menge gemischt haben – mit ihren vier Pistolen und sechs Bomben.
Da ist Muhamed Mehmedbasic, der seine Bombe allerdings nicht wirft. Er habe den Wagen des Erzherzogs nicht erkannt, wird er später sagen.
Als Franz Ferdinand an Vaso Cubrilovic vorüberfährt, erstarrt auch dieser. Herzogin Sophie sitzt bei ihm, er kann nicht schiessen. Sie ist es schliesslich nicht, die der Vereinigung von Serben, Kroaten, Slowenen und Bulgaren in einem Staate entgegensteht. Und nur das wünscht sich der 17-jährige Vaso.
Attentäter Nummer drei heisst Nedeljko Cabrinovic. Der 19-jährige Druckergeselle erkundigt sich jetzt bei einem Polizisten, welches das erzherzogliche Gefährt sei, schlägt dann die Zündkapsel seiner Bombe an einem Laternenmast ab und wirft sie in Richtung Franz Ferdinands. Doch dieser hebt den Arm und die Bombe prallt ab, fällt über das zurückgelegte Verdeck des Wagens nach hinten – und explodiert kurz vor dem nachfolgenden Auto. Die Insassen und sechs Schaulustige liegen verletzt auf der Strasse.
Und während die Umstehenden noch immer ganz geschockt umherirren, schluckt Nedeljko sein Zyankali. Doch das Gift ist alt und hält nicht mehr, was es einst versprach. Nedeljko kotzt nur, anstatt zu sterben. Verzweifelt springt er in den Fluss, aber die Stelle ist nicht tief genug, hier lässt es sich schlecht ertränken.
Bald hat ihn ein wütender Mob gefasst, ja beinahe gelyncht. Nedeljko wird verhaftet.
Der schutzlose Franz Ferdinand steht nun mit dem Wagen mitten auf der Strasse. Doch Vaso Cubrilovic tut noch immer nichts. Und auch Cvetko Popovic, Attentäter Nummer vier, hat zu viel Angst.
Um halb 11 fährt der Konvoi beim Rathaus vor.
Bleiben noch Gavrilo Princip und Trifko Grabe. Enttäuscht legen die beiden ihre Anschlagspläne bei, was sollten sie nach dem gescheiterten Bombenwurf noch tun? Gavrilo setzt sich in ein Kaffeehaus und denkt darüber nach, sich umzubringen.
Der Thronfolger ist aufgebracht, will die Fahrt aber dennoch unbedingt fortsetzen. Auch das Verdeck sollte weiterhin offen bleiben, einzig den Weg wollte man ein klein wenig ändern.
Doch davon weiss der Fahrer im Führungsfahrzeug nichts. Er biegt in die ursprüngliche Route ein, der erzherzogliche Wagen folgt ihm. Vor dem Feinkostladen Moritz Schiller hält er endlich an, der Irrtum ist geklärt, der Fahrer will wenden.
An einem der Strassentische sitzt noch immer Gavrilo Princip. Jetzt steht er auf und zieht seine Browning. Zwei Mal schiesst er – und macht sich vor Aufregung in die Hosen.
Die erste Kugel durchschlägt die Fahrzeugwand und dringt in Sophies Unterleib.
Sie verblutet. Die zweite Kugel zerreisst Franz Ferdinands Halsvene und verletzt seine Luftröhre. Der vor ihm sitzende Graf Harrach dreht sich um und fragt: «Majestät, was ist Euch?»
«Es ist nichts ...», flüstert der Erzherzog noch, um bald darauf auch zu sterben.
Auch Gavrilo schluckt jetzt sein altes, nicht mehr tödliches Zyankali, weicht dann auf seine Pistole aus, aber die rasende Menge hat ihn schnell ergriffen. Die Gendarmen führen den Mann ab, auf dessen Schüsse bald der Granatenhagel des Ersten Weltkriegs folgen sollte.