
bild: watson
Anekdoteles
Zeit für Anekdoteles!
30.03.2018, 18:0931.08.2018, 11:21
Was ist «Anekdoteles»?
Abgesehen davon, dass es sich hier um einen ungemein gelungenen Wortwitz handelt, ist
Anekdoteles unser neues Kurzformat für schmissige historische Anekdoten.
Mitte des 11. Jahrhunderts erdreistete sich ein gewisser Berengar von Tours, die vorherrschende Wandlungslehre in Frage zu stellen: Die christliche Welt glaubte damals fest daran, dass Gott in der Hostie präsent sei. Während der Feier der Eucharistie werde das Brot zum Leib, der Wein ins Blut Christi verwandelt.
Berengar bestritt das. Er verstand die Wesenswandlung symbolisch. Gott sei selbstverständlich nicht physisch anwesend im Brot, seine Präsenz sei rein spiritueller Natur.
«Äh ja, was sonst!», pflichten wir dem gewitzten Scholastiker bei, doch für den mittelalterlichen Menschen war die substantielle Anwesenheit Gottes im Brot keine absonderliche Vorstellung. Denn das Wirkliche, das waren für ihn die Ideen. Wirklich war nicht die einzelne Hostie, sondern allein das höchste Universale, der allgegenwärtige Gott, der in ihr erscheint. Wirklich war auch nicht das Individuum, sondern der Stand, dem es angehört. Wirklich war nicht der einzelne Priester, sondern die katholische Kirche, deren Gnadengaben er spendet.

Die Mär von der Hostienschändung: Juden wurden im Mittelalter immer wieder beschuldigt, geweihte Oblate zerschnitten zu haben, angeblich, um die Marter Jesu am Kreuz zu verhöhnen. Auch hier finden wir die Vorstellung des real präsenten Gottes in der Hostie – sie trägt das Antlitz Christi und blutet, während sie vom Dolch durchstossen wird.bild: wikimedia Berengars Doktrin wurde also verdammt von den Menschen, die sich Gott sehr wohl leiblich im Brot vorstellten. Der Mann wurde zum Widerruf seiner Irrlehre gezwungen. Und so musste er erklären, dass der substantiell anwesende Leib Christi in der Hostie während der Messe von den Händen des Zelebranten zerbrochen, ausgeteilt und dann – Obacht – von den Gläubigen mit den Zähnen zerbissen werde.
Die Reformation brachte die Sache mit der Brotwerdung abermals auf den Tisch. Für die Schweizer Zwingli und Calvin war glasklar: Das Abendmahl ist ein bloss symbolischer Akt, eine Erinnerungsfeier, in der die Hostie nur den Leib Christi bedeutet.

Berengars Gegner prägten später Formulierungen, die zum Begriff der «Transsubstantiation» (lat. für Wesens-Verwandlung) führten, wie er auf dem 4. Laterankonzil 1215 als verbindlich festgehalten wurde.bild: wikimedia Luther hingegen konnte sich nicht so recht entscheiden. Eigentlich neigte er zur katholischen Auslegung der Realpräsenz, doch er wollte den Papisten nicht beipflichten. Die calvinistische Version war ihm wiederum zu modern. Also erklärte er seinen sehr verwirrlichen Sonderweg:
Der Körper Christi befinde sich in den geweihten Stoffen wie das Feuer im erhitzten Eisen. Und wie Eisen und Feuer zusammen bestünden, so auch Hostie und Leib Christi.
Verstanden hat das niemand. Dafür hat Voltaire die drei verschiedenen Auslegungen in einem wunderbaren Merksatz für uns zusammengefasst:
«Die Papisten geniessen Gott, die Calvinisten Brot und die Lutheraner Brot mit Gott.»
Voltaire
(rof)
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Ringe können mehr sein als nur Zierde, Ausdruck persönlicher Empfindungen oder Statussymbol – sie können auch die Verbindung mit einer politischen Angelegenheit verschleiern oder offenlegen. In einigen Fällen hatten solche Verbindungen potenziell gefährliche Folgen, bis hin zum Tod.
Ein Beispiel für einen solches Schmuckstück ist ein nicht veröffentlichter Goldring aus der Zeit von Maria I. von Schottland – auch bekannt als Maria Stuart oder Maria, Königin von Schottland (1542-1587). Maria Stuart regierte Schottland von 1542 bis zu ihrer erzwungenen Abdankung im Jahr 1567. Ihr Leben war von Tragödien und Betrug gezeichnet. Auf den ersten Blick scheint es sich um einen mit Akanthusblättern verzierten Siegelring mit einem Familienwappen zu handeln.