Meine Vorfreude auf den Jahreswechsel hält sich normalerweise in Grenzen. Doch diesmal war das etwas anders. Denn die Jahreswende war zugleich auch der Startschuss für die «zweite Karriere» von Roger Federer, dem vierfachen Familienvater, dem stylischsten Mann 2016 (GQ), dem «Maestro», dem Tennis-King, der Sport-Legende.
Rückblick: Am 26. Juli 2016 verkündete Roger Federer sein frühzeitiges Saisonende: «Die Ärzte haben mir geraten – falls ich noch einige Jahre auf der ATP-Tour spielen möchte, was ich im Sinn habe –, meine Knie und den ganzen Körper richtig erholen zu lassen», hiess es damals. Das hat der 35-Jährige gemacht. Während seine Fans das erste Jahr ohne einen Federer-Turniersieg seit 2000 erlebten, genoss dieser mit seiner Familie für längere Zeit das Dasein in der Schweiz – zum Beispiel beim Wandern.
Aber die Welt will den erfolgreichsten Grand-Slam-Spieler der Geschichte nicht in den Bergen bestaunen, sondern auf dem Tenniscourt. Mit jedem Tag der Federer-Pause verlor bei mir der gelbe Filzball etwas an Faszination. Natürlich habe ich Stan Wawrinka im Final des US Open die Daumen gedrückt und mitgefiebert – aber es war einfach nicht das gleiche.
Seit ich Tennis überhaupt erleben kann, brilliert Roger Federer mit dem Racket. Unvergessliche Finals, unfassbare Matches, unglaubliche Schläge – und alles sieht so selbstverständlich aus. Bei wichtigen Punkten, zieht er ein Ass aus dem Ärmel. Unter Druck bleibt er cooler als Daniel Craig. In den zahlreichen Interviews ist er stets witzig und charmant.
Klar hat die sportliche Dominanz seit längerem etwas abgenommen, doch die Faszination blieb und wird immer bleiben. Die längere Abwesenheit von Roger Federer hat auch mir gezeigt, wie es mal sein wird nach seinem Rücktritt. Nicht gerade verlockend! Aber daran verschwende ich jetzt keine weiteren Gedanken mehr. Vielmehr denke ich schon an den nächsten grossen Coup. An den den 18. Grand-Slam-Titel. Vielleicht schon in Australien? Vielleicht in seinem Wohnzimmer, in Wimbledon? Egal, Hauptsache er kommt.
Catch ya later 16...
— Roger Federer (@rogerfederer) 31. Dezember 2016
See ya soon 17...
Going for 18
🙃
Die Gegner, die Kritiker, alle wissen, dass Roger Federer noch fähig ist, grosse Spiele zu gewinnen. Auch mit 35 Jahren auf dem Buckel, auch nach dieser langen Verletzungpause. Der Olympia-, Davis-Cup- und 17-fache Grand-Slam-Sieger muss schon seit längerem niemandem mehr etwas beweisen. Er ist hier in seiner Heimat und auf der ganzen Welt der bodenständige Superstar.
Selbst wenn er mal nur eine halbe Saison spielt, steht er am Ende des Jahres zur Wahl für den Schweizer Sportler des Jahres – alles andere wäre ja Majestätsbeleidigung. Er sahnte zum 14. Mal in Serie den ATP-Award für den Fan-Liebling ab und den «Stephan Edberg Sportsmanship»-Award gewann Federer in diesem Jahr zum zwölften Mal. Zu seinem öffentlichen Training in Perth kommen wenige Tage vor seinem Comeback 6000 Leute, nur um ihn spielen zu sehen.
Während dem längeren Aufenthalt in der Schweiz wurden nicht nur alle Fans immer ungeduldiger, sondern auch die Federer-Zwillinge. «Wann gehen wir wieder nach Australien oder New York?», fragten die Kleinen. Damals musste der Papa sagen: «Noch lange nicht». Jetzt aber steht das Comeback kurz bevor. Er trainierte in Dubai und hat sich zuletzt in Perth auf sein Comeback (morgen ab 10.30 Uhr Schweizer Zeit) am dortigen Hopman Cup vorbereitet.
Er tritt da zusammen mit Belinda Bencic im Ländervergleich an. Bestimmt auch ein Highlight für die junge Schweizerin und ein gutes Zeichen für das Schweizer Tennis zum Jahresbeginn. Mit seiner Ausstrahlung kann Roger Federer auch Stan Wawrinka, Timea Bacsinszky oder eben Bencic anspornen.
Solange der «Maestro» spielt, wird er das überdimensionale Aushängeschild sein, wird er die Gegner und Experten beeindrucken und seine Fans begeistern. Um die Weltnummer 1, um den Tennis-Thron, haben sich zuletzt andere gestritten. Doch Federer ist und bleibt der König im Tenniszirkus – auch ausserhalb der Top 10. Darum freue ich mich auf seine Rückkehr und sage: «Schön, dass Sie wieder da sind, ihre Majestät.»