Luxus riecht häufig erst nach Teppichkleber. Ein leicht beissender Geruch, der sich wieder und wieder mit dem Parfüm hübscher Hostessen in kurzen Kleidern mischt, ist steter Begleiter an den ersten Tagen einer Messe. Selbst jener, die an Luxus kaum noch zu überbieten ist: der weltgrössten Uhrenmesse Baselworld, die heute am Rheinknie ihre Tore für Besucher öffnet.
Dass die Schweizer Uhrenschmieden ein Jahr voller Schmerzen hinter sich haben, man will es beim Gang durch die Hallen nicht glauben. Export-Rückgang um mehr als drei Prozent, Absatzprobleme in China, die neue Konkurrenz durch elektronische Smartwatches – all das scheint von den Schweizer Herstellern, die sich herausgeputzt und blank poliert in Basel präsentieren, auf einmal so weit entfernt.
Dabei sind die Warnzeichen doch sichtbar. Der Luxusuhrenbauer Richemont hat erst im Februar den Abbau von 350 Stellen in der Schweiz angekündigt. Und Jean-Claude Biver, der als Uhrenchef des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH die Marken Hublot, Zenith und Tag Heuer unter seinen Fittichen hat, sieht einen ganzen Industriezweig gefährdet, wie er jüngst der «Finanz und Wirtschaft» sagte.
Letzteres liegt an den immer stärker werdenden Smartwatches. Die schlauen Uhren, von denen Tag Heuer als eines der wenigen Schweizer Unternehmen selbst eine Serie im Programm hat, haben die Schweizer Uhren in puncto Verkaufszahlen gegen Ende des vergangenen Jahres gar überholt.
In Basel muss man dieser Tage allerdings einiges an Kleber und Parfüm schnüffeln, bevor man eine Smartwatch zu Gesicht bekommt. Die wenigsten Hersteller haben eine im Programm. Das wiederum hat viel mit dem Selbstverständnis der Uhrenmacher zu tun. Für Nick Hayek, Swatch-Chef und zugleich Gesicht, Herz und Lunge der Schweizer Uhrenindustrie, muss die Schweizer Luxusuhr keine Konkurrenz der schlauen Handgelenkscomputer von Apple und Co. fürchten. Für Hayek sind das sowieso keine Uhren. Er nennt sie: «Produkte der Unterhaltungselektronik». Uhren dagegen sind Uhren. Und bleiben Uhren. Mit Zeiger, edlem Gehäuse und jeder Menge Mechanik. Zumindest im Hochpreissegment.
Sicher, wer sich morgens nach dem Duschen eine Blancpain Patek Nautilus ums Handgelenk schnallt, plant eher nicht, diese in nächster Zeit durch einen Zeit-, Bewegungs- und Herzfrequenzmesser des südkoreanischen Samsung-Konzerns zu ersetzen. Aber was ist mit einer mechanischen Uhr zwischen 200 und 2000 Franken? Genau diese Sparte ist es, die Tag-Heuer-Chef Biver in Gefahr sieht.
Dass die smarten Uhren auf dem Vormarsch sind, lässt sich kaum verleugnen. Ende letzten Jahres wurden weltweit erstmals mehr Smartwatches verkauft als Schweizer Uhren. Ein paar Hersteller haben denn auch reagiert und eigene Initiativen angekündigt. Und wenn man lang genug sucht, findet man auch welche in Basel.
Von Swatch, so heisst es, könnte in den kommenden Tagen Neues verkündet werden. Mondaine ist in dem Bereich bereits aktiv. Bereits fündig wird man auch bei Fossil. Der US-Schmuck-, Uhren- und Modekonzern verkündete am Dienstag an seinem brandneuen Europa-Hauptsitz in Basel, für Marken wie Diesel, Emporio Armani und Fossil selbst noch in diesem Jahr mehr als 100 sogenannte Wearables-Produkte auf den Markt zu bringen. Darunter Uhren mit und ohne Display sowie Bewegungs-Tracker. In 40 Ländern sollen diese erscheinen.
Die Baselworld-Verantwortlichen nehmen die neuen Produkte dagegen eher gelassen. «Uhren seien passé – das wurde immer wieder behauptet. Wir werden überleben», sagt François Thiébaud von der Schweizer Ausstellervereinigung. Und: Uhren seien schon seit sehr langer Zeit Schmuckstücke – die Zeitanzeige sei Beigemüse.
Das schwierige Jahr für die höherpreisigen Produkte führt Thiébaud derweil vor allem auf die Börsenturbulenzen in China und das damit einhergegangene schwächere Wachstum zurück. Das Asiengeschäft, das 50 Prozent der Schweizer Produktion ausmacht, erlitt denn auch einen Rückgang von drei Prozent.
Am wenigsten gelitten hatte, wenig erstaunlich, das günstigste Segment unter 200 Franken, sagte Thiébaud. Und auch insgesamt seien die Probleme überschaubar. Zu den insgesamt geringeren Exporten sagte Thiébaud: «Das mag zwar momentan etwas trübe aussehen.» Aber man müsse da nicht gleich in Panik verfallen. «Ich bin seit den 70er-Jahren in der Branche und habe einiges erlebt. Auch 2009 hatten wir einen Einbruch. Danach folgten gute Jahre. Die Branche war unglaublich kreativ.»
Die Händler hätten nun ihre Lager geleert, was natürlich die Produktion bremste. Im laufenden Jahr, so hoffen die Baselworld-Veranstalter, soll es wieder ein Plus von zwei bis fünf Prozent geben.
(aargauerzeitung.ch)