Für die Konkurrenz gäbe es wahrlich genügend Gründe, die Grossen ihrer Zunft zu beneiden. Ja, sie gar ins Pfefferland zu wünschen. Seit über einem Jahrzehnt spielen diese fünf Darsteller die Hauptrollen, nur zwei der 54 seit den French Open 2005 verteilten Grand-Slam-Trophäen gewannen weder Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic, Stan Wawrinka noch Andy Murray: 2009 Juan Martin Del Potro, fünf Jahre später Marin Cilic – beide bei den US Open.
Es sind Marginalien, meist bleibt der Konkurrenz die Rolle der Statisten. Es ist nicht so, dass sie sich damit abgefunden hätte, wie die Beispiele von Alexander Zverev, Kevin Anderson, Cilic und Del Potro zeigen, die aus ihren Ambitionen auf den Triumph bei einem Major-Turnier kein Geheimnis machen.
Und doch ist sie auch bei ihnen nicht gespielt, die Freude darüber, dass die Avantgarde ihrer Generation erstmals seit Wimbledon 2017 wieder vollständig im Haupttableau eines Grand-Slam-Turniers steht. Sie wissen, dass auch sie von der goldenen Ära profitieren, auch wenn Turniersiege für die überwältigende Mehrheit von ihnen nur ein Traum bleibt.
Zunächst Federer, später auch dessen Erzrivale Nadal haben eine Kultur des Respekts, des Dialogs und der Demut kultiviert. Nach den Jahren der Hitzköpfe mit Charakteren wie zum Beispiel John McEnroe hat das Männer-Tennis einen Wandel zurück zum Sport der Gentlemen gemacht. Die folgende Generation, auch wenn sie einmal aufmuckte, konnte gar nicht anders, als ihrem Beispiel zu folgen.
Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass von der Strahlkraft dieser Tennis-Ikonen und deren Hingabe für den Sport nicht zuletzt auch sie selber profitieren. «Jeder in der Kabine ist Roger dankbar für das, was er dem Tennis gegeben hat. Wie sehr er sich für sie eingesetzt hat und was er damit erreicht hat», sagte kürzlich Jamie Murray, der ältere Bruder von Andy Murray und einer der weltbesten Doppel-Spieler.
Als Präsident des Spielerrats hat sich Federer über Jahre dafür eingesetzt, dass die astronomischen Summen, welche die Grand-Slam-Turniere in den letzten Jahren erwirtschaftet haben, an jene zurückfliessen, die für die Hausse verantwortlich sind: die Spieler selbst. Inzwischen können mehr als doppelt so viele Profis von ihren Einkünften leben.
Zwar gehören inzwischen weder Federer noch Nadal dem Spielerrat an, doch auch in diesem Organ haben sie nachhaltige Spuren hinterlassen. Novak Djokovic hatte nun wahrlich andere Sorgen, als er im Januar in Australien nach halbjähriger Pause zurückkehrte. Gleichwohl dachte er nicht nur an sich selbst, sondern in erster Linie an seine Kollegen, als er beim dort jährlich stattfindenden Treffen der Spieler dazu aufrief, für höhere Preisgelder einzustehen.
Angesichts der Summen, die er als Spieler verdient hat, gerät der Serbe schnell in den Verdacht, geldgierig zu sein. Erst bei differenzierter Betrachtung wird nachvollziehbar, wie berechtigt diese Forderung ist: Die Spieler erhielten bisher sieben Prozent der Einnahmen. Der Rest floss in die Taschen der Organisatoren.
Roger Federer feierte jüngst seinen 37. Geburtstag, er ist vierfacher Vater und steht im Herbst seiner Karriere. Auch Murray, Djokovic und Wawrinka sind Väter und allesamt über 30 Jahre alt, wie auch Rafael Nadal, der zwar nicht Vater ist, aber eine Akademie in seiner Heimat auf Mallorca betreibt. Was sie im Tennis erlebt haben, ist Geschichte, noch dominieren sie die Gegenwart. Die Zukunft aber gehört anderen.
Dass sie trotzdem bemüht sind, die Zukunft des Tennis mitzugestalten, wird ihnen von den Kollegen hoch angerechnet. Sie wissen, dass ihr Erfolg eng mit jenem der fünf Grossen verknüpft ist. Und so ist es nicht erstaunlich, dass einem von ihnen die Ehre zuteilwird, die erste Partie im grössten Tennis-Stadion der Welt zu bestreiten: Stan Wawrinka.