«Das erinnert mich an die Krise von 2008», erklärte der Financier George Soros nach den ersten Schockwellen des von China ausgelösten Börsenbebens. Sein Wort hat Gewicht, hat er doch mit seinem sicheren Gespür für die Finanzmärkte Milliarden verdient.
Doch Mitte dieser Woche schien der Spuk vorbei zu sein. Die Kurse an den Börsen von Shanghai und Shenzhen zogen wieder an, die Trader atmeten auf – bis die US-Börsen ihren Handel aufnahmen und mehr als zwei Prozent abstürzten.
Die Börse ist miserabel ins neue Jahr gestartet. Rund zehn Prozent verloren die Kurse im Durchschnitt. Damit ist der Tatbestand einer «Korrektur» bereits erfüllt. Bei einem Minus von 20 Prozent spricht man von einem «Bärenrally» – und weit davon entfernt sind wir nicht mehr.
«Man spürt, wie langsam richtig Angst aufkommt», erklärte Jim Paulsen von Wells Capital Management gegenüber der «
Financial Times ».Der rabenschwarze Auftakt ins neue Jahr kam für die meisten unerwartet. Billiges Öl und erste Anzeichen eines Aufschwungs der europäischen Wirtschaft sorgten für verhalten optimistische Prognosen. Jetzt zeigt sich stattdessen, dass ein giftiger Cocktail die Stimmung versaut.
Die Zutaten dieses Cocktails sind: Enttäuschende Wirtschaftsdaten aus China, verbunden mit Kapitalflucht und Abwertung des Renminbi; weiterhin fallende Ölpreise; Unsicherheiten auf den Obligationenmärkten; eine stagnierende Weltwirtschaft und schrumpfende Unternehmensgewinne.
Im Zentrum steht nach wie vor China. Alle wissen, dass Peking einen Strukturwandel der Wirtschaft – weniger Export, mehr Binnenmarkt und Dienstleistungen – anstrebt, aber niemand weiss, wie dies gelingen soll.
Den chinesischen Daten traut niemand so recht, und die Kompetenz der Funktionäre der KP China ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Die verordneten «Abkühlphasen» im Börsenhandel waren ein Flop, und die Tatsache, dass wer kann, sein Geld aus China abzieht, schafft ebenfalls kein Vertrauen.
Am meisten gefürchtet wird jedoch ein Währungskrieg in Asien. China hat den Renminbi an den Dollar gekoppelt. Der Greenback hat jedoch in den letzten Monat kräftig zugelegt und damit indirekt auch für einen stärkeren Renminbi gesorgt. Die chinesische Zentralbank hat darauf reagiert und ihre Währung abgewertet.
Obwohl sie glaubhaft versichert hat, damit keinen Währungskrieg vom Zaun brechen zu wollen, habt sich die Lage bisher nicht beruhigt. Kein Wunder: Ein Währungskrieg in Asien ist ungefähr das Letzte, was eine Wirtschaft, die sich ohnehin schon am Rande einer Deflation befindet, derzeit brauchen kann.
Für unterdurchschnittliche Inflation sorgen bereits die Rohstoffpreise. Vor allem der Ölpreis befindet sich im freien Fall und hat diese Woche erstmals seit langem kurzzeitig die Grenze von 30 Dollar pro Fass unterschritten. Die renommierte US-Investmentbank Morgan Stanley rechnet bereits mit einem Ölpreis von 20 Dollar pro Fass, andere Experten gar mit 10 Dollar.
Der Ölpreiszerfall ist das Resultat eines Kampfes um Marktanteile. Es herrscht bereits eine Ölschwemme auf den Märkten und dies wird sich noch verschlimmern, wenn der Iran sein Öl wieder ungehindert exportieren kann. Der Erzfeind Saudi-Arabien will sich jedoch nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und denkt nicht daran, seine Produktion zu drosseln. Gleichzeitig hoffen die Saudis, damit auch die Fracking-Konkurrenz aus den USA wieder aus dem Markt zu drängen.
Der starke Dollar schliesslich schlägt ebenfalls auf die Stimmung. Er hemmt die amerikanischen Exporte und lässt die Gewinne der multinationalen Konzerne schrumpfen. Bereits sind erste Stimmen zu hören, die von einer drohenden Rezession in den USA warnen.
Die von der US-Notenbank (Fed) eingeleitete Zinswende heizt diese Ängste zusätzlich an, und sorgt auch dafür, dass die ohnehin schon prekäre Lage in den Schwellenländern noch prekärer wird. Viele Unternehmen in Ländern wie Brasilien haben sich in Dollar verschuldet in befinden sich nun in ernsthaften Schwierigkeiten.
Liegt George Soros mit seinen düsteren Prognosen also einmal mehr richtig? Das kann zumindest nicht ausgeschlossen werden. Verschiedene Experten befürchten bereits eine Wiederholung von 2001/02. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase ging zuerst den Techno-Börsen und dann allen anderen langsam die Luft aus.
Glücklicherweise könnte es auch ganz anders kommen. Wirtschaft hat auch viel mit Psychologie zu tun. Wird erkannt, dass der tiefe Ölpreis letztlich ein riesiges Geschenk an den Westen und an China ist, und verzichtet die Fed auf weitere Zinsschritte, dann könnte sich rasch wieder der Optimismus durchsetzen. Dann wären die Verluste der letzten Woche rasch wieder aufgefangen und alles wäre wieder gut.
Aber verlasst Euch nicht drauf!