Das Model X von Tesla ist das derzeit heisseste Auto auf dem Markt. Bild: Paul Sancya/AP/KEYSTONE
Kommentar
Ein merkwürdiger «Tagi»-Artikel ändert nichts daran: Der Tesla ist eine gute Sache
Tesla
zwingt endlich die Autoindustrie zum Handeln
– und ist ein wichtiger Katalysator für den Aufbau eines nachhaltigen,
dezentralen Stromnetzes in der Schweiz.
Unter der Schlagzeile «Der Tesla-Mythos»
versuchen die beiden TA-Journalisten Stefan Häne und Michael Soukup das
Elektroauto zu dekonstruieren. Ihre Argumente lassen sich wie folgt
zusammenfassen: Wenn der Strom für den Tesla aus einem dreckigen Kohlekraftwerk
stammt, dann ändert sich an der Ökobilanz rein gar nichts. Der Bau eines Teslas
verschlingt viel graue Energie, vor allem die Batterien, die zudem das Auto
schwer und damit wenig energieeffizient machen. Und schliesslich ist der Tesla
teuer und damit eine Luxuskarre für Privilegierte.
Billige Argumente
So weit so schlecht. Gehen wir auf die
einzelnen Argumente ein: Die Sache mit den Kohlekraftwerken gilt für unser Land
nur sehr bedingt. Selbst die TA-Autoren müssen zugeben: «In der Schweiz ist
zumindest die CO2-Bilanz besser, weil die Wasserkraft das Rückgrat
der helvetischen Stromversorgung ist.» Zudem ist der Einwand nicht viel mehr
als zu sagen, was die Angelsachsen unfein «fucking obvious» nennen. Es ist doch
vollkommen klar, dass es niemals das Ziel sein kann, Elektroautos mit Strom aus
Kohlekraftwerken zu betreiben.
Elon Musk vor dem Tesla Model S. Bild: Getty Images AsiaPac
Kommen wir zu grauer Energie und der leidigen
Batterie-Sache. Elektroautos haben sehr viel weniger Verschleiss als mit Benzin
oder Diesel betriebene Autos. Das liegt in der Natur der Sache, respektive in
der Art des Antriebs. Einen Tesla muss man nicht nach einer bestimmten
Kilometerzahl oder nach fünf, sechs Jahren ersetzen, er kann wie ein Smartphone
mit einem Update auf den neuesten technischen Stand gebracht werden. (Versuch
das mal mit deinem alten Volvo, Soukup!) Der Tesla S ist deshalb ganz bewusst
als eine zeitlose Limousine konstruiert worden.
Benziner sind sehr ineffizient
Der Elektromotor des Tesla erreicht zudem
einen Wirkungsgrad von 90 Prozent, bei den Diesel- und Benzinmotoren liegt er
im Labor bestenfalls bei 30 Prozent – und was von diesen Werten zu halten ist,
wissen wir seit dem VW-Skandal. In der Realität dürfte er höchstens bei 15
Prozent liegen. Diese Werte sprechen für sich selbst.
Was die Batterien betrifft: Selbstverständlich
sind wir hier noch weit vom Optimum entfernt. Doch inzwischen geht in der
Batterieforschung die Post ab, nicht nur bei Elon Musk, der für Milliarden
Dollar in der Wüste von Nevada neue Fabriken erstellen lässt. Auch die deutsche
Konkurrenz ist aufgewacht. Bei Bosch arbeitet man ebenfalls mit Hochdruck an
neuen Batteriekonzepten.
Der technische Fortschritt beginnt stets mit den Reichen
Schliesslich noch das Luxuskarren-Argument: Es
ist erstens billig und zweitens ebenfalls fucking obvious. Hat nicht jeder
technische Fortschritt zuerst mit den Wohlhabenden begonnen? Zudem hat Tesla ja
längst angekündigt, ein erschwingliches Elektroauto zu bauen – und bisher hat
Musk seine Versprechen gehalten, wenn auch mit Verspätung.
Der Tesla ist keine Wunderwaffe gegen alle
Energieprobleme. Er kann jedoch ein wichtiger Meilenstein für die Zukunft des
Massenverkehrs und der Energieversorgung sein. Elon Musk mag in seinem
Verhalten ein unangenehmer Mensch sein. Seine unternehmerische Leistung jedoch
ist phantastisch. Er hat mehr oder weniger im Alleingang die Autoindustrie aus
ihrem hundertjährigen Dornröschenschlaf geweckt und gezwungen, endlich zu
handeln.
Selbst die Deutschen wollen jetzt das Elektroauto
Inzwischen haben alle Hersteller sich mehr
oder weniger verpflichtet, in Sachen Elektroauto ernsthaft voranzuschreiten,
auch die deutschen. VW scheint das gescheiterte Diesel-Experiment abzubrechen
und die Luxushersteller BMW, Mercedes, Porsche und Audi stolpern beim Wettlauf
um ein E-Modell übereinander.
Anton Gunzinger und sein Tesla.
Sollte diesmal der Durchbruch des Elektroautos
gelingen, dann ist das weit mehr als einfach ein neuer Antrieb für das gleiche
Gefährt. Diesen Fehler hat die Autoindustrie vor hundert Jahren schon mal
gemacht, als sie zunächst Pferdekutschen mit einem Motor ausrüstete. Es dauerte
bis in die 1920er Jahre, bis erkannt wurde, dass dies keine taugliche Idee war.
Wir brauchen ein neues, dezentrales Energiesystem
Das Elektroauto wird mehr als unser
Mobilitätsverhalten verändern. Es wird auch dazu beitragen, dass wir unsere
Energieversorgung neu überdenken und den Aufbau eines so genannten Smart Grid,
eines intelligenten Stromnetzes, vorantreiben. Für ein dezentrales, auf
nachhaltiger Energie (Wasser, Sonne, Wind) beruhendes Energiesystem ist die
Schweiz aufgrund ihrer Geografie geradezu prädestiniert. Das hat der
ETH-Professor, Unternehmer und Tesla-Fahrer Anton Gunzinger in seinem Buch
«Kraftwerk Schweiz» aufgezeigt. Eine lohnenswerte Lektüre – und zudem vom Ex-Tagi-Journalisten René Staubli verfasst.