International
Digital

Konfliktstoff in der Katze

So umgeht man mit Katzenvideos staatliche Zensur

Vier Beine gegen das Regime: Kanadische Wissenschaftler haben ein Tool entwickelt, das regierungskritische Beiträge in Katzenvideos verpackt, womit staatliche Zensur unterlaufen werden kann.
06.05.2017, 14:5806.05.2017, 15:06
adrian lobe
Mehr «International»

Katzenvideos sind ein Hit im Netz. Millionenfach werden sie angeklickt, geteilt und geliket. Studien wollen belegt haben, dass Katzenvideos glücklicher und leistungsfähiger machen. Dieser Cat Content steht aber auch in der Kritik, weil er zu einer Boulevardisierung und Banalisierung des Diskurses im Netz beiträgt. «Katzen statt Konflikte», lautet das Motto bei Facebook.

Computerwissenschaftler der University of Waterloo in Kanada haben nun ein Tool entwickelt, das zensierte Webseiten in Katzenvideos oder andere unverfängliche Datenpakete verpackt, mit denen die staatliche Zensur unterlaufen werden kann.

In immer mehr Staaten werden kritische Webseiten gesperrt oder zensiert. China blockiert soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Youtube. Auch die Türkei hat nach dem gescheiterten Putschversuch den Zugang zu sozialen Netzwerken eingeschränkt. Facebook, Twitter und Youtube waren zeitweise nicht aufrufbar.

Um die technische Dimension der Zensur zu verstehen, muss man sich die Struktur des World Wide Web vor Augen führen: Bei jeder Online-Aktivität, sei es das Browsen oder Versenden einer Mail, verschicken wir Datenpakete wie bei einem analogen Brief (in der Regel unverschlüsselt). Dieser Brief wird von einem Router, einer Art persönlichen Poststelle, «frankiert»: Er ordnet jedem Gerät im Heimnetz eine IP-Adresse zu, eine Kennung, die den Nutzer als Besucher im Cyberspace ausweist und Rückschlüsse auf den Wohnort zulässt. Eine Art Absender also.

Diese Router gehören entweder dem Staat oder Kommunikationskonzernen, die in autoritären Regimen den Traffic, also den digitalen Postverkehr, beschränken können. Man kann es sich wie einen Checkpoint vorstellen: Regimenahe Webseiteninhalte oder Videos werden durchgewinkt, kritische blockiert.

Animiertes GIFGIF abspielen
Bild: Giphy

Selbst mit Verschlüsselungstechniken, bei dem sich Teilnehmer über einen speziellen Server (Login-Server) zu einem Teilnetzwerk verbinden und nach Aufbau eines Tunnels eine neue, interne IP erhalten, kann die Fährte der Nutzer ermittelt werden – China hat den VPN-Client, mit dem Sperren umgangen werden konnte, zensiert.

An diesem Punkt setzt nun Slitheen an: Das Tool lädt simultan den Inhalt einer erlaubten Seite herunter, die als Camouflage für die sensiblen Daten dient, sowie die auf dem Index stehende Zielseite, die der Nutzer aufrufen möchte. Dann werden alle Video-, Bild- und Textdateien aus der Dummy-Seite entfernt und durch Inhalte der zensierten Seite ersetzt. Man kann es sich wie bei einer Zeitung vorstellen, deren äußere Form, die Titelseite, beibehalten wird, der Rest aber klandestin mit Fremdmaterial befüllt wird. Ist die Datei zu klein, wird sie mit Datenmüll aufgefüllt. So kann das verpackte Material unauffällig die Kontrolle der Zensoren passieren.

„Wie bei den Aliens von Doctor Who funktioniert unser Slitheen-Anti-Zensur-System so, dass es Ihre Verbindung zu einer blockierten Webseite – zum Beispiel die Verbindung zu Wikipedia oder der New York Times – in eine erlaubte Webseite, vielleicht eine Webseite mit possierlichen Katzen, verkleidet“, sagte der Kryptographie-Spezialist Ian Goldberg, der das System entwickelt hat. Die Regierungskritik kommt im Gewand der Katzenvideos daher. Mit diesem technischen Kniff können Internetnutzer die staatlichen Zensoren austricksen.

Es ist nicht nur raffiniertes, sondern auch ein anarchisches und durchaus hintersinniges Werkzeug, das das Objekt mannigfaltiger Kulturkritik zum Vehikel zur Umgehung von Internetsperren macht. Soll da noch jemand sagen, Katzenvideos seien infantil! In Staaten mit Internetzensur könnten sie bald zur Meinungsfreiheit beitragen.

Diese 13 Katzen konnte man endlich hinter Gitter bringen

1 / 15
Diese 13 Katzen konnte man endlich hinter Gitter bringen
Bild: Pinterest/watson
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Mehr Katzengeschichten

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Samsung stösst Apple wieder vom Smartphone-Thron
Samsung hat sich im vergangenen Quartal nach Berechnungen von Marktforschern den Spitzenplatz im Smartphone-Markt von Apple zurückgeholt. Vom südkoreanischen Konzern kamen knapp 21 Prozent der weltweit verkauften Geräte.

Das berichtete die Analysefirma IDC in der Nacht zum Montag. Apples iPhone lag demnach bei 17,3 Prozent Marktanteil. Den stärksten Schub verzeichnete der vor allem in Afrika aktive chinesische Anbieter Transsion, der mit einem Absatzplus von rund 85 Prozent etwa jedes zehnte Smartphone weltweit verkaufte und auf Rang vier sprang.

Zur Story